Umbalisi mabali

Dies ist die zweite Suite, die ich für Marcin Oleś schrieb, einen großartigen polnischen Kontrabassisten, Komponisten und Freund, den ich 2014 in Krakau kennengelernt habe. Als wir die Stücke in diesem Herbst aufnahmen, fiel uns auf, dass diese Suite einen Doppelcharakter hat: Sie kann auf einem Kontrabass gespielt werden, klingt aber auch sehr gut auf zwei Kontrabässen, weil alle Stücke eine dialogische Struktur haben.

Ich habe die Suite meinem Vater Wolfgang Sieg gewidmet, der in jenem Herbst starb, als ich die Stücke schrieb – daher auch der Titel Umbalisi mabali, der Geschichtenerzähler. Mein Vater war mit Abstand der beste Geschichtenerzähler, den ich je kennengelernt habe. Er schrieb 21 Bücher, 40 Hörspiele und buchstäblich tausende von Kurzgeschichten. Vor allem aber konnte er Geschichten erzählen, mit seiner tiefen, ausdrucksstarken Erzählerstimme. Als Kind konnte ich mich mit vollem Herzen ins Zuhören versenken, weil die Stimme das Vertrauen weckte, dass der Erzähler genau wusste, was er erzählen wollte, und dass seine Geschichte gut war. Dieses Grundvertrauen findet sich in der Bassfigur im Titelstück Der Geschichtenerzähler. Morgenstille handelt von der besonders intensiv-kreativen Atmosphäre am frühen Morgen – mein Vater war ein Frühaufsteher, und auch ich habe meine besten Einfälle direkt nach dem Aufstehen, wenn der Lärm des Tages noch nicht ins Bewusstsein gedrungen ist. Der dritte Satz heißt Sterben vor Ungeduld – auch dieses wiederkehrende Gefühl habe ich von meinem Vater geerbt. Der letzte Satz ist ein Versuch über den Abschied. Von jemand Abschied zu nehmen, dem man so nah war, so viel verdankt, der einen immer begleiten wird, der aber immer auch eine Art Geheimnis bleiben wird, kann nie ganz gelingen. Daher bleibt der Schluss offen.